Karl Marx
- Friedrich Engels
Manifest der Kommunistischen Partei
Ein Gespenst geht um in Europa
- das Gespenst des Kommunismus.
Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer
heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet,
der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten.
Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch verschrien
worden wäre, wo die Oppositionspartei, die den
fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl wie
ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden
Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte?
Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor.
Der Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt.
Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor
der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen
vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der
Partei selbst entgegenstellen.
Zu diesem Zweck haben sich Kommunisten der ver
schiedensten Nationalität in London versammelt und das folgende Manifest entworfen, das in englischer,
französischer, deutscher, italienischer, flämischer und dänischer Sprache veröffentlicht
wird.

I Bourgeois und Proletarier
Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.
Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und
Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen,
bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf,
der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung
der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.
In den früheren Epochen der Geschichte finden wir
fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stände, eine mannigfaltige
Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen.
Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer,
Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vasallen,
Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch
dazu in fast jeder dieser Klassen wieder
besondere Abstufungen.
Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft
hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft
hat die Klassengegensätze nicht auf gehoben. Sie
hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die
Stelle der alten gesetzt.
Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft
spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche
Lager, in zwei große, einander direkt gegenüber
stehende Klassen:
Bourgeoisie und Proletariat.
Aus den Leibeigenen des Mittelalters gingen die
Pfahlbürger der ersten Städte hervor; aus dieser
Pfahlbürgerschaft entwickelten sich die ersten
Elemente der Bourgeoisie.
Die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas
schufen der aufkommenden Bourgeoisie ein neues
Terrain. Der ostindische und chinesische Markt, die
Kolonisierung von Amerika, der Austausch mit den
Kolonien, die Vermehrung der Tauschmittel und
der Waren überhaupt gaben dem Handel, der
Schiffahrt, der Industrie einen nie gekannten Auf
schwung und damit dem revolutionären Element
in der zerfallenden feudalen Gesellschaft eine rasche Entwicklung.
Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise
der Industrie reichte nicht mehr aus für den
mit neuen Märkten anwachsenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeister wurden
verdrängt durch den industriellen Mittelstand; die
Teilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Korporationen verschwand vor der Teilung der Arbeit
in der einzelnen Werkstatt selbst.
Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf.
Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus.
Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie
die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industri
ellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen, die modernen Bourgeois.
Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt,
den die Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der
Weltmarkt hat dem Handel, der Schiffahrt, den
Landkommunikationen eine unermeßliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben
Maße, worin Industrie, Handel, Schiffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitali
en, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten
Klassen in den Hintergrund.
Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst
das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer
Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und
Verkehrsweise ist.
Jede dieser Entwicklungsstufen der Bourgeoisie war
begleitet von einem entsprechenden politischen
Fortschritt. Unterdrückter Stand unter der Herr
schaft der Feudalherren, bewaffnete und sich selbst
verwaltende Assoziation in der Kommune, hier unabhängige städtische Republik, dort dritter steuerpflichtiger Stand der Monarchie, dann zur Zeit der
Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der
ständischen oder in der absoluten Monarchie,
Hauptgrundlage der großen Monarchien überhaupt,
erkämpfte sie sich endlich seit der Herstellung der
großen Industrie und des Weltmarktes im modernen
Repräsentativstaat die ausschließliche politische
Herrschaft. Die moderne Staatsgewalt ist nur ein
Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der
ganzen Bourgeoisklasse verwaltet.
Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.
Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen,
hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen
Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen
Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und
Mensch übriggelassen als das nackte Interesse,
als die gefühllose "bare Zahlung".
Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt.
Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert
aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften
und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissen
lose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem
Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen
Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt.
Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit
frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissen
schaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.
Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen
rührend-sentimentalen Schleier abgerissen und es
auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt.
Die Bourgeoisie hat enthüllt, wie die brutale Kraft
äußerung, die die Reaktion so sehr am Mittelalter
bewundert, in der trägsten Bärenhäuterei ihre
passende Ergänzung fand. Erst sie hat bewiesen,
was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen
kann. Sie hat ganz andere Wunderwerke vollbracht
als ägyptische Pyramiden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen, sie hat ganz andere Züge ausgeführt als Völkerwanderungen und
Kreuzzüge.
Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse
fortwährend zu revolutionieren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen
die erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen. Die fortwährende Umwälzung der
Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller
gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit
und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor
allen anderen aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen
Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst,
alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern
können. Alles Ständische und Stehende verdampft,
alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind
endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre
gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen
anzusehen.
Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren
Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über
die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten,
überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.
Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des
Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller
Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen
Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden
der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die
uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden
und werden noch täglich vernichtet. Sie werden
verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung
eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird,
durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen ungehörige
Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht
nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zu
gleich verbraucht werden. An die Stelle der alten,
durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse
treten neue, welche die Produkte der entferntesten
Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit
tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhäng
igkeit der Nationen voneinander. Und wie in der
materiellen, so auch in der geistigen Produktion.
Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen
werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und
Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich,
und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.
Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle,
auch die barbarischen Nationen in die Zivilisation.
Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere
Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in
den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten
Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt.
Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der
Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehn wollen; sie zwingt sie, die sogenannte
Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich
eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.
Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der
Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade
vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevökerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen.
Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und halbbarbarischen Länder von den
zivilisierten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern,
den Orient vom Okzident abhängig gemacht.
Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplitterung der Produktionsmittel, des Besitzes und der
Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das
Eigentum in wenigen Händen konzentriert.
Die notwendige Folge hiervon war die politische
Zentralisation. Unabhängige, fast nur verbündete
Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen,
Regierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt
in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie.
Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen
Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere
Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen
Generationen zusammen. Unterjochung der Naturkräfte Maschinerie, Anwendung der Chemie auf
Industrie und Ackerbau, Dampschifffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Urbarmachung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze
aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen
- welches frühere Jahrhundert ahnte, daß solche Produktionskräfte im
Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten.
Wir haben also gesehn: Die Produktions- und
Verkehrsmittel, auf deren Grundlage sich die Bourgeoisie heranbildete, wurden in der feudalen Gesellschaft erzeugt. Auf einer gewissen Stufe der Ent-
wicklung dieser Produktions- und Verkehrsmittel
entsprachen die Verhältnisse, worin die feudale Gesellschaft produzierte und austauschte, die feudale
Organisation der Agrikultur und Manufaktur, mit
einem Wort die feudalen Eigentumsverhältnisse den
schon entwickelten Produktivkräften nicht mehr.
Sie hemmten die Produktion, statt sie zu fördern.
Sie verwandelten sich in ebenso viele Fesseln. Sie
mußten gesprengt werden, sie wurden gesprengt.
An ihre Stelle trat die freie Konkurrenz mit der ihr
angemessenen gesellschaftlichen und politischen
Konstitution, mit der ökonomischen und politischen
Herrschaft der Bourgeoisklasse. Unter unsern Augen geht eine ähnliche Bewegung vor.
Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so
gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die
unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen
vermag, die er herauf beschwor.
Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und
des Handels nur die Geschichte der Empörung der
modernen Produktivkräfte gegen die modernen
Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der
Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt,
die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer
periodischen Wiederkehr immer drohender die
Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in
Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer
Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der
bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig
vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen
als ein Widersinn erschienen wäre
- die Epidemie der Überproduktion.
Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine
Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg
scheinen alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben;
die Industrie, der Handel scheinen vernichtet,
und warum?
Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel,
zuviel lndustrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht
mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für
diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen
gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft
in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse
sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten
Reichtum zu fassen.
- Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen?
Einerseits durch die erzwungene Vernichtung
einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die
Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß
sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet
und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.
Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus
zu Boden geschlagen hat, richten sich jetzt gegen
die Bourgeoisie selbst.
Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet, die ihr den Tod bringen; sie hat auch die
Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden
- die modernen Arbeiter, die Proletarier.
In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie,
d.h. das Kapital, entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur so lange leben, als sie Arbeit
finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre
Arbeit das Kapital vermehrt. Diese Arbeiter, die sich
stückweis verkaufen müssen, sind eine Ware wie
jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig
allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt.
Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung
der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen
selbständigen Charakter und damit allen Reiz für
die Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör
der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt
wird. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel,
die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung
seiner Race bedarf. Der Preis einer Ware, also auch
der Arbeit, ist aber gleich ihren Produktionskosten.
In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der
Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch
mehr, in demselben Maße, wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demselben Maße
nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch
Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten
Arbeit, beschleunigten Lauf der Maschinen usw..
Die moderne Industrie hat die kleine Werkstube des
patriarchalischen Meisters in die große Fabrik des
industriellen Kapitalisten verwandelt. Arbeitermassen, in der Fabrik zusammengedrängt, werden
soldatisch organisiert. Sie werden als gemeine Industriesoldaten unter die Aufsicht einer vollständigen Hierarchie von Unteroffizieren und Offizieren
gestellt. Sie sind nicht nur Knechte der Bourgeoisklasse, des Bourgeoisstaates, sie sind täglich und
stündlich geknechtet von der Maschine, von dem
Aufseher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bourgeois selbst. Diese Despotie ist um so
kleinlicher, gehässiger, erbitternder, je offener sie
den Erwerb als ihren Zweck proklamiert.
Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und
Kraftäußerung erheischt, d.h., je mehr die moderne
Industrie sich entwickelt, desto mehr wird die Arbeit
der Männer durch die der Weiber verdrängt.
Geschlechts- und Altersunterschiede haben keine
gesellschaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse. Es gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je
nach Alter und Geschlecht verschiedene Kosten machen.
Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so weit beendigt, daß er seinen Arbeitslohn
bar ausgezahlt erhält, so fallen die ändern Teile der
Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, der
Krämer, der Pfandleiher usw..
Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Industriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker
und Bauern, alle diese Klassen fallen ins Proletariat
hinab, teils dadurch, daß ihr kleines Kapital für den
Betrieb der großen Industrie nicht ausreicht und der
Konkurrenz mit den größeren Kapitalisten erliegt,
teils dadurch, daß ihre Geschicklichkeit von neuen
Produktionsweisen entwertet wird. So rekrutiert sich
das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung.
Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie
beginnt mit seiner Existenz.
Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die
Arbeiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen
Bourgeois, der sie direkt ausbeutet. Sie richten ihre
Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst; sie vernichten die fremden
konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die Maschinen, sie stecken die Fabriken in Brand, sie suchen
die untergegangene Stellung des mittelalterlichen
Arbeiters wiederzuerringen.
Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das
ganze Land zerstreute und durch die Konkurrenz
zersplitterte Masse. Massenhaftes Zusammenhalten
der Arbeiter ist noch nicht die Folge ihrer eigenen
Vereinigung, sondern die Folge der Vereinigung der
Bourgeoisie, die zur Erreichung ihrer eigenen politischen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung
setzen muß und es einstweilen noch kann. Auf dieser Stufe bekämpfen die Proletarier also nicht ihre
Feinde, sondern die Feinde ihrer Feinde, die Reste
der absoluten Monarchie, die Grundeigentümer, die
nichtindustriellen Bourgeois, die Kleinbürger.
Die ganze geschichtliche Bewegung ist so in den
Händen der Bourgeoisie konzentriert; jeder Sieg,
der so errungen wird, ist ein Sieg der Bourgeoisie.
Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt
sich nicht nur das Proletariat; es wird in größeren
Massen zusammengedrängt, seine Kraft wächst,
und es fühlt sie mehr. Die Interessen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen sich immer
mehr aus, indem die Maschinerie mehr und mehr
die Unterschiede der Arbeit vermischt und den Lohn
fast überall auf ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachsende Konkurrenz der Bourgeois
unter sich und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den Lohn der Arbeiter immer
schwankender; die immer rascher sich entwikelnde, unaufhörliche Verbesserung der Maschinerie
macht ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer;
immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem
einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois
den Charakter von Kollisionen jeder Klassen an.
Die Arbeiter beginnen damit, Koalitionen gegen die
Bourgeois zu bilden; sie treten zusammen zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen
Empörungen zu verproviantieren. Stellenweis bricht
der Kampf in Emeuten aus.
Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe
ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer
weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.
Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikationsmittel, die von der großen Industrie erzeugt
werden und die Arbeiter der verschiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung setzen. Es bedarf
aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter zu einem
nationalen, zu einem Klassenkampf zu zentralisieren. Jeder Klassenkampf ist aber ein politischer
Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des
Mittelalters mit ihren Vizinalwegen Jahrhunderte
bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den
Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande.
Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und
damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick
wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den
Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder,
stärker, fester, mächtiger.
Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Interessen
der Arbeiter in Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt. So die
Zehnstundenbill in England.
Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt
fördern mannigfach den Entwicklungsgang
des Proletariats. Die Bourgeoisie befindet sich in
fortwährendem Kampfe: anfangs gegen die Aristokratie; später gegen die Teile der Bourgeoisie
selbst, deren Interessen mit dem Fortschritt der
Industrie in Widerspruch geraten; stets gegen die
Bourgeoisie aller auswärtigen Länder. In allen diesen Kämpfen sieht sie sich genötigt, an das Proletariat zu appellieren, seine Hülfe in Anspruch zu
nehmen und es so in die politische Bewegung hineinzureißen. Sie selbst führt also dem Proletariat
ihre eigenen Bildungselemente, d.h. Waffen gegen
sich selbst, zu.
Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der Industrie ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Proletariat hinabgeworfen oder
wenigstens in ihren Lebensbedingungen bedroht.
Auch sie führen dem Proletariat eine Masse
Bildungselemente zu.
In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der
Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozeß
innerhalb der herrschenden Klasse, innerhalb der
ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen, so
grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der
herrschenden Klasse sich von ihr lossagt und sich der
revolutionären Klasse anschließt, der Klasse, welche
die Zukunft in ihren Händen trägt. Wie daher früher
ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging, so geht
jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theoretischen Verständnis
der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben.
Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat
eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen
Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt.
Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine
Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle
bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als
Mittelstände vor dem Untergang zu sichern.
Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen
das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie
revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den
ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen,
sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie
ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.
Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung
der untersten Schichten der alten Gesellschaft, wird
durch eine proletarische Revolution stellenweise in
die Bewegung hineingeschleudert, seiner ganzen
Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu
reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen.
Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind
schon vernichtet in den Lebensbedingungen des
Proletariats. Der Proletarier ist eigentumslos; sein
Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältnis; die
moderne industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, dieselbe in England wie
in Frankreich, in Amerika wie in Deutschland, hat
ihm allen nationalen Charakter abgestreift.
Die Gesetze, die Moral, die Religion sind für ihn ebenso viele
bürgerliche Vorurteile, hinter denen sich ebenso viele bürgerliche Interessen verstecken. Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, suchten ihre schon erworbene
Lebensstellung zu sichern, indem sie die ganze Gesellschaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen. Die Proletarier können sich die gesellschaft
lichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre
eigene bisherige Aneignungsweise und damit die
ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen.
Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu
sichern, sie haben alle bisherigen Privatsicherheiten
und Privatversicherungen zu zerstören. Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten.
Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der
ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterste
Schichte der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht
erheben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze
Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft
bilden, in die Luft gesprengt wird.
Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der
Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Ploletariat eines jeden
Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen
Bourgeoisie fertig werden.
Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir
den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem
Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und
durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das
Proletariat seine Herrschaft begründet.
Alle bisherige Gesellschaft beruhte, wie wir gesehn
haben, auf dem Gegensatz unterdrückender und
unterdrückter Klassen. Um aber eine Klasse unterdrücken zu können, müssen ihr Bedingungen gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre
knechtische Existenz fristen kann. Der Leibeigene
hat sich zum Mitglied der Kommune in der Leibeigenschaft herangearbeitet wie der Kleinbürger
zum Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen
Absolutismus. Der moderne Arbeiter dagegen, statt
sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben,
sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner
eigenen Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch
schneller als Bevölkerung und Reichtum.
Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie
unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der
Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen
ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz
aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie
unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo
sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu
werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr
leben, d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit
der Gesellschaft.
Die wesentliche Bedingung für die Existenz und für
die Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichtums in den Händen von Privaten, die
Bildung und Vermehrung des Kapitals; die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit
beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich.
Der Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist…
…setzt an die Stelle der Isolierung der Arbeiter
durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation. Mit der Entwicklung der
großen Industrie wird also unter den Füßen der
Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen,
worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihren eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats
sind gleich unvermeidlich.

II Proletarier und Kommunisten
In weichem Verhältnis stehen die Kommunisten zu den Proletariern überhaupt?
Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien.
Sie haben keine von den Interessen des ganzen
Proletariats getrennten Interessen.
Sie stellen keine besonderen Prinzipien auf, wonach
sie die proletarische Bewegung
modeln wollen.
Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß sie
einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen
der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten
Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen,
andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen
Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen
Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das
Interesse der Gesamtbewegung vertreten.
Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der
übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die
Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.
Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe
wie der aller übrigen proletarischen Parteien:
Bildung des Proletariats zur Klasse,
Sturz der Bourgeoisieherrschaft,
Eroberung der politischen Macht durch
das Proletariat.
Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen
keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder
entdeckt sind. Sie sind nur allgemeine Ausdrücke
tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unsern Augen vor sich
gehenden geschichtlichen Bewegung. Die Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse ist nichts den Kommunismus
eigentümlich Bezeichnendes. Alle
Eigentumsverhältnisse waren einem beständigen
geschichtlichen Wechsel, einer
beständigen geschichtlichen Veränderung unterworfen. Die Französische Revolution z.B. schaffte das Feudaleigentum zugunsten des bürgerlichen ab. Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums
überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums.
Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist
der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung
und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, auf der Ausbeutung der einen durch die
andern beruht. In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck:
Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.
Man hat uns Kommunisten vorgeworfen, wir wollten
das persönlich erworbene, selbsterarbeitete Eigentum abschaffen; das Eigentum, welches die Grundlage aller persönlichen Freiheit, Tätigkeit und Selbständigkeit bilde.
Erarbeitetes, erworbenes, selbstverdientes Eigentum! Sprecht ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigentum, welches dem bürgerlichen
Eigentum vorherging? Wir brauchen es nicht abzuschaffen, die Entwicklung der Industrie hat es
abgeschafft und schafft es täglich ab.
Oder sprecht ihr vom modernen bürgerlichen Privateigentum? Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit
des Proletariers ihm Eigentum? Keineswegs.
Sie schafft das Kapital, d.h. das Eigenturn, welches die
Lohnarbeit ausbeutet, weiches
sich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubeuten.
Das Eigentum in seiner heutigen Gestalt bewegt sich
in dem Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit. Betrachten wir die beiden Seiten dieses Gegensatzes.
Kapitalist sein, heißt nicht nur eine rein persönliche,
sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einnehmen. Das Kapital ist ein gemeinschaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter
Instanz nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller
Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt
werden.
Das Kapital ist also keine persönliche, es ist eine
gesellschaftliche Macht. Wenn also das Kapital in
gemeinschaftliches, allen Mitgliedern der Gesellschaft angehöriges Eigentum verwandelt wird, so
verwandelt sich nicht persönliches Eigentum in
gesellschaftliches. Nur der gesellschaftliche Charakter des Eigentums verwandelt sich.
Er verliert seinen Klassencharakter.
Kommen wir zur Lohnarbeit. Der Durchschnittspreis
der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeitslohnes,
d.h. die Summe der Lebensmittel, die notwendig
sind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten. Was also der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin, um sein
nacktes Leben wieder zu erzeugen. Wir wollen diese
persönliche Aneignung der Arbeitsprodukte zur
Wiedererzeugung des unmittelbaren Lebens keineswegs abschaffen, eine Aneignung, die keinen Reinertrag übrigläßt, der Macht über fremde Arbeit
geben könnte. Wir wollen nur den elenden Charakter dieser Aneignung aufheben, worin der Arbeiter
nur lebt, um das Kapital zu vermehren, nur so weit
lebt, wie es das Interesse der herrschenden Klasse
erheischt.
In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige
Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist
die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern. In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht also die Vergangenheit über die
Gegenwart, in der kommunistischen die Gegenwart
über die Vergangenheit. In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbständig und persönlich,
während das tätige Individuum unselbständig und
unpersönlich ist.
Und die Aufhebung dieses Verhältnisses nennt die
Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um
die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit,
-Selbständigkeit und Freiheit.
Unter Freiheit versteht man innerhalb der jetzigen
bürgerlichen Produktionsverhältnisse den freien
Handel, den freien Kauf und Verkauf. Fällt aber der
Schacher, so fällt auch der freie Schacher. Die Redensarten vom freien Schacher, wie alle übrigen
Freiheitsbravaden unserer Bourgeoisie, haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebundenen
Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des
Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommunistischen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen
Produktionsverhältnisse und der Bourgeoisie selbst.
Ihr entsetzt euch darüber, daß wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden
Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel
ihrer Mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, daß es für neun Zehntel nicht existiert.
Ihr werft uns also vor, daß wir ein Eigentum aufheben
wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige
Bedingung voraussetzt.
Ihr werft uns mit einem Worte vor, daß wir euer
Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen
wir.Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht
mehr in Kapital, Geld, Grundrente, kurz, in eine
monopolisierbare gesellschaftliche Macht verwandelt
werden kann, d.h. von dem Augenblick, wo das persönliche Eigentum nicht mehr in bürgerliches umschlagen kann, von dem Augenblick an erklärt ihr,
die Person sei aufgehoben. Ihr gesteht also, daß ihr
unter der Person niemanden anders versteht als
den Bourgeois, den bürgerlichen Eigentümer. Und
diese Person soll allerdings aufgehoben werden.
Der Kommunismus nimmt keinem die Macht, sich
gesellschaftliche Produkte anzueignen, er nimmt nur
die Macht, sich durch diese Aneignung fremde Arbeit zu unterjochen. Man hat eingewendet, mit der
Aufhebung des Privateigentums werde alle Tätigkeit
aufhören und eine allgemeine Faulheit einreißen.
Hiernach müßte die bürgerliche Gesellschaft längst
an der Trägheit zugrunde gegangen sein; denn die
in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht. Das ganze Bedenken läuft auf
die Tautologie hinaus, daß es keine Lohnarbeit mehr
gibt, sobald es kein Kapital mehr gibt.
Alle Einwürfe, die gegen die kommunistische Aneignungs- und Produktionsweise der materiellen
Produkte gerichtet werden, sind ebenso auf die
Aneignung und Produktion der geistigen Produkte
ausgedehnt worden. Wie für den Bourgeois das Aufhören des Klasseneigentums das Aufhören der
Produktion selbst ist, so ist für ihn das Aufhören der
Klassenbildung identisch mit dem Aufhören der Bildung überhaupt. Die Bildung, deren Verlust er bedauert, ist für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maschine.
Aber streitet nicht mit uns, indem ihr an euren bürgerlichen Vorstellungen von Freiheit, Bildung, Recht
usw. die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums
meßt. Eure Ideen selbst sind Erzeugnisse der bürgerlichen Produktions- und Eigentumsverhältnisse,
wie euer Recht nur der zum Gesetz erhobene Wille
eurer Klasse ist, ein Wille, dessen Inhalt gegeben ist
in den materiellen Lebensbedingungen eurer Klasse.
Die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen, in dem Lauf der Produktion vorübergehenden
Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze
verwandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen
herrschenden Klassen. Was ihr für das antike Eigentum begreift, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum.
-Aufhebung der Familie!
Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese
schändliche Absicht der Kommunisten. Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie?
Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig
entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie; aber
sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit der Proletarier und der öffentlichen
Prostitution.
Die Familie der Bourgeois fällt natürlich weg mit
dem Wegfallen dieser ihrer Ergänzung, und beide
verschwinden mit dem Verschwinden des Kapitals.
Werft ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen?
Wir gestehen dieses Verbrechen ein.
Aber, sagt ihr, wir heben die trautesten Verhältnisse
auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die gesellschaftliche setzen. Und ist nicht auch
eure Erziehung durch die Gesellschaft bestimmt?
Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb
derer ihr erzieht, durch die direktere oder indirektere Einmischung der Gesellschaft, vermittelst der
Schule usw.? Die Kommunisten erfinden nicht die
Einwirkung der Gesellschaft auf die Erziehung;
sie verändern nur ihren Charakter, sie entreißen
die Erziehung dem Einfluß der herrschenden Klasse.
Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung, über das traute Verhältnis von Eltern und
Kindern werden um so ekelhafter, je mehr infolge
der großen Industrie alle Familienbande für die Proletarier zerrissen und die Kinder in einfache Handelsartikel und Arbeitsinstrumente verwandelt
werden.
Aber ihr Kommunisten wollt die Weibergemeinschaft einführen, schreit uns die ganze Bourgeoisie
im Chor entgegen. Der Bourgeois sieht in seiner
Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört,
daß die Produktionsinstrumente gemeinschaftlich
ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich
nichts anderes denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen
wird. Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt,
die Stellung der Weiber als bloßer Produktionsinstrumente aufzuheben. Übrigens ist nichts lächerlicher als das hochmoralische Entsetzen unsrer
Bourgeois über die angebliche offizielle Weibergemeinschaft der Kommunisten. Die Kommunisten
brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen,
sie hat fast immer existiert.
Unsre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen
die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar
nicht zu sprechen, finden ein Hauptvergnügen darin,
ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen. Die bürgerliche Ehe ist in Wirklichkeit die Gemeinschaft der
Ehefrauen. Man könnte höchstens den Kommunisten
vorwerfen, daß sie an Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft einführen wollten.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktionsverhältnisse auch
die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinschaft,
d.h. die offizielle und nichtoffizielle Prostitution, verschwindet. Den Kommunisten ist ferner vorgeworfen
worden, sie wollten das Vaterland, die Nationalität
abschaffen.
Die Arbeiter haben kein Vaterland.
Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.
Indem das Proletariat zunächst sich die politische
Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß,
ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs
im Sinne der Bourgeoisie. Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden
mehr und mehr schon mit der Entwicklung der
Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch
mehr verschwinden machen.
Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung. In dem Maße, wie die Exploitation des einen
Individuums durch das andere aufgehoben wird,
wird die Exploitation einer Nation durch die andere
aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern
der Nation fällt die feindliche Stellung der
Nationen gegeneinander. Die Anklagen gegen den
Kommunismus, die von religiösen, philosophischen
und ideologischen Gesichtspunkten überhaupt
erhoben werden, verdienen keine ausführlichere
Erörterung.
Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit
den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren
gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein, auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr
Bewußtsein sich ändert? Was beweist die Geschichte
der Ideen anders, als daß die geistige Produktion
sich mit der materiellen umgestaltet?
Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen
der herrschenden Klasse.
Man spricht von Ideen, welche eine ganze Gesellschaft revolutionieren; man spricht damit nur die
Tatsache aus, daß sich innerhalb der alten Gesellschaft die Elemente einer
neuen gebildet haben, daß mit der Auflösung der alten Lebensverhältnisse die Auflösung der alten Ideen gleichen
Schritt hält. Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christlichen Ideen im
18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unterlagen,
rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit
der damals revolutionären Bourgeoisie.
Die Ideen der Gewissens- und Religionsfreiheit
sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz
auf dem Gebiete des Wissens aus. »Aber« wird man
sagen, »religiöse, moralische, philosophische, politische, rechtliche Ideen usw. modifizierten sich
allerdings im Lauf der geschichtlichen Entwicklung.
Die Religion, die Moral, die Philosophie, die Politik,
das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel.
Es gibt zudem ewige Wahrheiten, wie Freiheit, Gerechtigkeit usw., die allen gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam sind.
Der Kommunismus aber schafft die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab, die Moral, statt
sie neu zu gestalten, er widerspricht also allen bisherigen geschichtlichen Entwicklungen.«
Worauf reduziert sich diese Anklage?
Die Geschichte der ganzen bisherigen Gesellschaft
bewegte sich in Klassengegensätzen, die in den verschiedenen Epochen verschieden gestaltet waren.
Welche Form sie aber auch immer angenommen,
die Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft
durch den andern ist eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinsame Tatsache. Kein Wunder
daher, daß das gesellschaftliche Bewußtsein aller
Jahrhunderte, aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit zum Trotz. In gewissen gemeinsamen Formen sich bewegt, in Bewußtseinsformen, die nur
mit dem gänzlichen Verschwinden des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen.
Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen;
kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange
am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen
wird. Doch lasen wir die Einwürfe der Bourgeoisie
gegen den Kommunismus. Wir sahen schon oben,
daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die
Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse,
die Erkämpfung der Demokratie ist.
Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu
benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in
den Händen des Staats, d.h. des als herrschende
Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren
und die Masse der Produktionskräfte möglichst
rasch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächst nur geschehn vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen
Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar er-
scheinen, die aber im Lauf der Bewegung über
sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind.
Diese Maßregeln werden natürlich je nach
den verschiedenen Ländern verschieden sein.
Für die fortgeschrittensten Länder werden jedoch
die folgenden ziemlich allgemein in Anwendung
kommen können:
1. Expropriation des Grundeigentums und
Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.
2. Starke Progressivsteuer.
3. Abschaffung des Erbrecht.
4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen.
5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit
Staatskapital und ausschließlichem Monopol.
6. Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staats.
7. Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und
Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.
8. Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den
Ackerbau.
9. Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche
Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land.
10. Öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder. Beseitigung der Fabrikarbeit
der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen
Produktion usw.
Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in
den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.
Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die
organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung
einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden
Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt…
…so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die
Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die
Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.
An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit
ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine
Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden
die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.
III Sozialistische und kommunistische Literatur
1. Der reaktionäre Sozialismus
a) Der feudale Sozialismus
Die französische und englische Aristokratie war
ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen,
Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben. In der französischen Julirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten
Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein.
Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig.
Die französische und englische Aristokratie war
ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen,
Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben. In der französischen Julirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten
Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein.
Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig.
Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem
Feudalen, so der pfäffische Sozialismus mit dem
feudalistischen. Nichts leichter, als dem christlichen
Asketismus einen sozialistischen Anstrich zu geben.
Hat das Christentum nicht auch gegen das Privateigentum, gegen die Ehe, gegen den Staat geeifert?
Hat es nicht die Wohltätigkeit und den Bettel, das
Zölibat und die Fleischesertötung, das Zellenleben
und die Kirche an ihrer Stelle gepredigt? Der christliche Sozialismus ist nur das Weihwasser, womit der
Pfaffe den Ärger des Aristokraten einsegnet.
b) Kleinbürgerlicher Sozialismus
Die feudale Aristokratie ist nicht die einzige Klasse,
welche durch die Bourgeoisie gestürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft verkümmerten und abstarben.
Das mittelalterliche Pfahlbürgertum und der kleine
Bauernstand waren die Vorläufer der modernen
Bourgeoisie. In den weniger industriell und kommerziell entwickelten Ländern vegetiert diese Klasse
noch fort neben der aufkommenden Bourgeoisie.
In den Ländern, wo sich die moderne Zivilisation
entwickelt hat, hat sich eine neue Kleinbürgerschaft
gebildet, die zwischen dem Proletariat und der
Bourgeoisie schwebt und als ergänzender Teil der
bürgerlichen Gesellschaft stets von neuem sich bildet, deren Mitglieder aber beständig durch die Konkurrenz ins Proletariat hinabgeschleudert werden,
ja selbst mit der Entwicklung der großen Industrie
einen Zeitpunkt herannahen sehen, wo sie als selbständiger Teil der modernen Gesellschaft gänzlich
verschwinden und im Handel, in der Manufaktur, in
der Agrikultur durch Arbeitsaufseher und Domestiken ersetzt werden.
In Ländern wie in Frankreich, wo die Bauernklasse
weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht,
war es natürlich, daß Schriftsteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoisie auftraten, an ihre
Kritik des Bourgeoisregimes den kleinbürgerlichen
und kleinbäuerlichen Maßstab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgertums ergriffen. Es bildete sich so der kleinbürgerliche Sozialismus. Sismondi ist das Haupt dieser
Literatur nicht nur für Frankreich, sondern auch für
England. Dieser Sozialismus zergliederte höchst
scharfsinnig die Widersprüche in den modernen
Produktionsverhältnissen. Er enthüllte die gleisnerischen Beschönigungen der Ökonomen. Er wies
unwiderleglich die zerstörenden Wirkungen der
Maschinerie und der Teilung der Arbeit nach, die
Konzentration der Kapitalien und des Grundbesitzes, die Überproduktion, die Krisen, den notwendigen
Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das
Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die schreienden Mißverhältnisse in der Verteilung des Reichtums, den industriellen Vernichtungskrieg der Nationen untereinander, die
Auflösung der alten Sitten, der alten Familienverhältnisse, der alten Nationalitäten.
Seinem positiven Gehalte nach will jedoch dieser
Sozialismus entweder die alten Produktions- und
Verkehrsmittel wiederherstellen und mit ihnen die
alten Eigentumsverhältnisse und die alte Gesellschaft, oder er will die modernen Produktions- und
Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigentumsverhältnisse, die von ihnen gesprengt wurden,
gesprengt werden mußten, gewaltsam wieder einsperren. In beiden Fällen ist er reaktionär und
utopisch zugleich. Zunftwesen in der Manufaktur
und patriarchalische Wirtschaft auf dem Lande, das
sind seine letzten Worte. In ihrer weiteren Entwicklung hat sich diese Richtung in einen feigen Katzenjammer
verlaufen.
c) Der deutsche oder der "wahre" Sozialismus
Die sozialistische und kommunistische Literatur
Frankreichs, die unter dem Druck einer herrschenden Bourgeoisie entstand und der literarische Ausdruck des Kampfes gegen diese Herrschaft ist,
wurde nach Deutschland eingeführt zu einer Zeit,
wo die Bourgeoisie soeben ihren Kampf gegen den
feudalen Absolutismus begann. Deutsche Philosophen, Halbphilosophen und Schöngeister bemächtigten sich gierig dieser Literatur und vergaßen nur,
daß bei der Einwanderung jener Schriften aus
Frankreich die französischen Lebensverhältnisse
nicht gleichzeitig nach Deutschland eingewandert
waren. Den deutschen Verhältnissen gegenüber
verlor die französische Literatur alle unmittelbar
praktische Bedeutung und nahm ein rein literarisiches Aussehen an. Als müßige Spekulation, über
die Verwirklichung des menschlichen Wesens mußte
sie erscheinen. So hatten für die deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts die Forderungen der
ersten französischen Revolution nur den Sinn, Forderungen der "praktischen Vernunft" im allgemeinen zu sein, und die Willensäußerungen der revolutionären französischen Bourgeoisie bedeuteten in
ihren Augen die Gesetze des reinen Willens, des
Willens, wie er sein muß, des wahrhaft menschlichen Willens.
Die ausschließliche Arbeit der deutschen Literaten
bestand darin, die neuen französischen Ideen mit
ihrem alten philosophischen Gewissen in Einklang zu
setzenn oder vielmehr von ihrem philosophischen
Standpunkte aus die französischen Ideen sich anzueignen. Diese Aneignung geschah in derselben
Weise, wodurch man sich überhaupt eine fremde
Sprache aneignet, durch die Übersetzung.
Es ist bekannt, wie die Mönche Manuskripte, worauf
die klassischen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeschmackten katholischen
Heiligengeschichten überschrieben. Die deutschen
Literaten gingen umgekehrt mit der profanen französischen Literatur um. Sie schrieben ihren philosophischen Unsinn hinter das französische Original.
Z.B. hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie "Entäußerung des menschlichen
Wesens", hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie "Aufhebung der Herrschaft des abstrakt Allgemeinen" usw.
Die Unterschiebung dieser philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften
sie "Philosophie der Tat", "wahrer Sozialismus",
"deutsche Wissenschaft des Sozialismus", "philosophische Begründung des Sozialismus" usw.
Die französische sozialistisch-kommunistische Literatur wurde so förmlich entmannt. Und da sie in der
Hand des Deutschen aufhörte, den Kampf einer
Klasse gegen die andre auszudrücken, so war der
Deutsche sich bewußt, die "französische Einseitigkeit" überwunden, statt wahrer Bedürfnisse das
Bedürfnis der Wahrheit und statt der Interessen
des Proletariers die Interessen des menschlichen Wesens, des Menschen überhaupt vertreten zu haben,
des Menschen, der keiner Klasse, der überhaupt
nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunsthimmel
der philosophischen Phantasie angehört.
Dieser deutsche Sozialismus, der seine unbeholfenen Schulübungen so ernst und feierlich nahm
und so marktschreierisch ausposaunte, verlor indes
nach und nach seine pedantische Unschuld.
Der Kampf der deutschen, namentlich der preußischen Bourgeoisie gegen die Feudalen und das
absolute Königtum, mit einem Wort, die liberale
Bewegung wurde ernsthafter. Dem "wahren" Sozialismus war so erwünschte Gelegenheit geboten, der
politischen Bewegung die sozialistischen Forderungen gegenüberzustellen, die überlieferten Anatheme
gegen den Liberalismus, gegen den Repräsentativstaat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche
Freiheit und Gleichheit zu schleudern und der Volksmasse vorzupredigen, wie sie bei dieser bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr alles
zu verlieren habe.
Der deutsche Sozialismus vergaß rechtzeitig, daß
die französische Kritik, deren geistloses Echo er
war, die moderne bürgerliche Gesellschaft mit den
entsprechenden materiellen Lebensbedingungen
und der angemessenen politischen Konstitution vorausgesetzt, lauter Voraussetzungen, um deren Erkämpfung es sich erst in Deutschland handelte.
Er diente den deutschen absoluten Regierungen mit
ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeistern, Krautjunkern und Bürokraten als erwünschte Vogelscheuche gegen die drohend aufstrebende Bourgeoisie.
Er bildete die süßliche Ergänzung zu den bitteren
Peitschenhieben und Flintenkugeln, womit dieselben
Regierungen die deutschen Arbeiteraufstände bearbeiteten Ward der wahre Sozialismus dergestalt
eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die
deutsche Bourgeoisie, so vertrat er auch unmittelbar ein reaktionäres Interesse, das Interesse der
deutschen Pfahlbürgerschaft.
In Deutschland bildet das vom 16. Jahrhundert her
überlieferte und seit der Zeit in verschiedener Form
hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgertum die eigentliche gesellschaftliche Grundlage der
bestehenden Zustände.
Seine Erhaltung ist die Erhaltung der bestehenden
deutschen Zustände. Von der industriellen und
politischen Herrschaft der Bourgeoisie fürchtet es
den sichern Untergang, einerseits infolge der Konzentration des Kapitals, andrerseits durch das Aufkommen eines revolutionären Proletariats.
Der "wahre" Sozialismus schien ihm beide Fliegen
mit einer Klappe zu schlagen. Er verbreitete sich
wie eine Epidemie. Das Gewand, gewirkt aus spekulativem Spinnweb, überstickt mit schöngeistigen
Redeblumen, durchtränkt von liebesschwülem Gemütstau, dies überschwengliche Gewand, worin die
deutschen Sozialisten ihre paar knöchernen "ewigen
Wahrheiten" einhüllten, vermehrte nur den Absatz
ihrer Ware bei diesem Publikum.
Seinerseits erkannte der deutsche Sozialismus immer mehr seinen Beruf, der hochtrabende Vertreter
dieser Pfahlbürgerschaft zu sein. Er proklamierte
die deutsche Nation als die normale Nation und den
deutschen Spießbürger als den Normalmenschen.
Er gab jeder Niedertracht desselben einen verborgenen, höheren, sozialistischen Sinn, worin sie ihr
Gegenteil bedeutete. Er zog die letzte Konsequenz,
indem er direkt gegen die "rohdestruktive" Richtung
des Kommunismus auftrat und seine unparteiische
Erhabenheit über alle Klassenkämpfe verkündete.
Mit sehr wenigen Ausnahmen gehört alles, was in
Deutschland von angeblich sozialistischen und kommunistischen Schriften zirkuliert, in den Bereich dieser schmutzigen, entnervenden
Literatur.
2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus
Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher:
Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffen der Tierquälerei,
Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist
dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden.
Als Beispiel führen wir Proudhons "Philosophie de la
misère" an. Die sozialistischen Bourgeois wollen die
Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft
ohne die notwendig daraus hervorgehenden Kämpfe
und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie
auflösenden Elemente.
Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat. Die
Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht,
natürlich als die beste Welt vor. Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu
einem halben oder ganzen System aus. Wenn er
das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen,
so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen
Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen
Vorstellungen von derselben abstreife.
Eine zweite, weniger systematische, nur mehr
praktische Form d[ies]es Sozialismus suchte der
Arbeiterklasse jede revolutionäre Bewegung zu
verleiden, durch den Nachweis, wie nicht diese oder
jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der
ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne.
Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs
Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist,
sondern administrative Verbesserungen, die auf
dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich
gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und
Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall
der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.
Seinen entsprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeoissozialismus erst da, wo er zur bloßen rednerischen Figur wird.
Freier Handel!
Im Interesse der arbeitenden Klasse,
Schutzzölle!
Im Interesse der arbeitenden Klasse;
Zellengefängnisse!
Im Interesse der arbeitenden Klasse:
das ist das letzte, das einzige ernstgemeinte Wort des Bourgeoissozialismus.
Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois
Bourgeois sind - im Interesse der arbeitenden Klasse.
3. Der kritisch-utopistische Sozialismus und Kommunismus
Wir reden hier nicht von der Literatur, die in allen
großen modernen Revolutionen die Forderungen
des Proletariats aussprach. (Schriften Babeufs etc.).
Die ersten Versuche des Proletariats, in einer Zeit
allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes
Klasseninteresse durchzusetzen, scheiterten notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats selbst wie an dem Mangel der materiellen
Bedingungen seiner Befreiung, die eben erst das
Produkt der bürgerlichen Epoche sind.
Die revolutionäre Literatur, welche diese ersten
Bewegungen des Proletariats begleitete, ist dem
Inhalt nach notwendig reaktionär. Sie lehrt einen
allgemeinen Asketismus und eine rohe Gleichmacherei. Die eigentlich sozialistischen und kommurnistischen Systeme, die Systeme St. Simons,
Fouriers, Owens usw., tauchen auf in der ersten,
unentwickelten Periode des Kampfs zwischen Proletariat und Bourgeoisie, die wir oben dargestellt
haben. (S[iehe] Bourgeoisie und Proletariat.)
Die Erfinder dieser Systeme sehen zwar den Gegensatz der Klassen wie die Wirksamkeit der auflösenden Elemente in der herrschenden Gesellschaft
selbst. Aber sie erblicken auf der Seite des Proletariats keine geschichtliche Selbsttätigkeit, keine
ihm eigentümliche politische Bewegung.
Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Industrie,
finden sie ebensowenig die materiellen Bedingungen
zur Befreiung des Proletariats vor und suchen nach
einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen. An die
Stelle der gesellschaftlichen Tätigkeit muß ihre
persönlich erfinderische Tätigkeit treten, an die
Stelle der geschichtlichen Bedingungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmählich vor
sich gehenden Organisation des Proletariats zur
Klasse eine eigens ausgeheckte Organisation der
Gesellschaft. Die kommende Weltgeschichte löst
sich für sie auf in die Propaganda und die praktische
Ausführung ihrer Gesellschaftspläne.
Sie sind sich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptsächlich das Interesse der arbeitenden Klasse als
der leidendsten Klasse zu vertreten. Nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existiert
das Proletariat für sie. Die unentwickelte Form des
Klassenkampfes wie ihre eigene Lebenslage bringen
es aber mit sich, daß sie weit über jenen Klassengegensatz erhaben zu sein glauben.
Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschaftsglieder,
auch der bestgestellten, verbessern. Sie appellieren
daher fortwährend an die ganze Gesellschaft ohne
Unterschied, ja vorzugsweise an die herrschende
Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen, um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft anzuerkennen.
Sie verwerfen daher alle politische, namentlich alle revolutionäre Aktion, sie wollen
ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und versuchen, durch kleine, natürlich fehlschlagende
Experimente, durch die Macht des Beispiels dem neuen gesellschaftlichen Evangelium
Bahn zu brechen.
Die phantastische Schilderung der zukünftigen Gesellschaft entspringt in einer Zeit, wo
das Proletariat noch höchst unentwickelt ist, also selbst noch phantastisch seine eigene
Stellung auffaßt, seinem ersten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen
Umgestaltung der Gesellschaft.
Die sozial[istisch]en und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen
Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der bestehenden Gesellschaft an. Sie haben daher
höchst wertvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert. Ihre positiven Sätze
über die zukünftige Gesellschaft, z.B. Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und
Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündigung der gesellschaftlichen
Harmonie, die Verwandlung des Staates in eine bloße Verwaltung der Produktion
- alle diese ihre Sätze drücken bloß das Wegfallen des Klassengegensatzes aus, der eben erst sich zu entwickeln beginnt, den sie nur noch in seiner ersten gestaltlosen
Unbestimmtheit kennen. Diese Sätze selbst haben daher noch einen rein utopistischen
Sinn.
Die Bedeutung des kritisch-utopistischen Sozialismus und Kommunismus steht im
umgekehrten Verhältnis zur geschichtlichen Entwicklung. In demselben Maße, worin der Klassenkampf sich entwickelt und gestaltet, verliert diese phantastische Erhebung über
denselben, diese phantastische Bekämpfung desselben allen praktischen Wert, alle
theoretische Berechtigung. Waren daher die Urheber dieser Systeme auch in vieler
Beziehung revolutionär, so bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten. Sie halten
die alten Anschauungen der Meister fest gegenüber der geschichtlichen Fortentwicklung
des Proletariats. Sie suchen daher konsequent den Klassenkampf wieder abzustumpfen
und die Gegensätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die versuchsweise Verwirklichung
ihrer gesellschaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanstere, Gründung von
Home-Kolonien, Errichtung eines kleinen Ikariens11 - Duodezausgabe des neuen Jerusalems
-, und zum Aufbau aller dieser spanischen Schlösser müssen sie an die Philanthropie
der bürgerlichen Herzen und Geldsäcke appellieren.
Allmählich fallen sie in die
Kategorie der oben geschilderten reaktionären oder konservativen Sozialisten und unterscheiden
sich nur noch von ihnen durch mehr systematische Pedanterie, durch den
fanatischen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer sozialen Wissenschaft.
Sie treten daher mit Erbitterung aller politischen Bewegung der Arbeiter entgegen, dir
nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervor, gehen konnte.
Die Owenisten in England, die Fourieristen in Frankreich reagieren dort gegen die
Chartisten, hier gegen die Reformisten.
IV
Stellung der Kommunisten zu
den verschiedenen oppositionellen Parteien
Nach Abschnitt II versteht sich das Verhältnis der Kommunisten zu den bereits konstituierten
Arbeiterparteien von selbst, also ihr Verhältnis zu den Chartisten in England und
den agrarischen Reformern in Nordamerika.
Sie kämpfen für die Erreichung der unmittelbar vorliegenden Zwecke und Interessen
der Arbeiterklasse, aber sie vertreten in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die
Zukunft der Bewegung.
In Frankreich schließen sich die Kommunisten an die
sozialistisch-demokratische13 Partei an gegen die konservative und radikale Bourgeoisie,
ohne darum das Recht aufzugeben, sich kritisch zu den aus der revolutionären
Überlieferung herrührenden Phrasen und Illusionen zu verhalten.
In der Schweiz unterstützen sie die Radikalen, ohne zu verkennen, daß diese Partei aus
widersprechenden Elementen besteht, teils aus demokratischen Sozialisten im französischen Sinn, teils aus radikalen Bourgeois.
Unter den Polen unterstützen die Kommunisten die Partei, welche eine agrarische
Revolution zur Bedingung der nationalen Befreiung macht, dieselbe Partei, welche die
Krakauer Insurrektion von 184614 ins Leben rief.
In Deutschland kämpft die Kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär
auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale
Grundeigentum und die Kleinbürgerei.
Sie unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein
über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten,
damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen
Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso
viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit, nach dem Sturz der
reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst
beginnt.
Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil
Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht und weil es diese
Umwälzung unter fortgeschrittneren Bedingungen der europäischen Zivilisation
überhaupt und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im
17. und Frankreich im 18. Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das
unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.
Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung
gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.
In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder
entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung
hervor.
Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der
demokratischen Parteien aller Länder.
Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen.
Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen
Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen
vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu
verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.
Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.
Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übrigen proletarischen Parteien:
Sturz der Bourgeoisieherrschaft,
Eroberung der politischen Macht durch
das Proletariat.

Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht. In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck:
Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.
Man hat uns Kommunisten vorgeworfen, wir wollten
das persönlich erworbene, selbsterarbeitete Eigentum abschaffen; das Eigentum, welches die Grundlage aller persönlichen Freiheit, Tätigkeit und Selbständigkeit bilde.
Erarbeitetes, erworbenes, selbstverdientes Eigentum! Sprecht ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigentum, welches dem bürgerlichen
Eigentum vorherging? Wir brauchen es nicht abzuschaffen, die Entwicklung der Industrie hat es
abgeschafft und schafft es täglich ab.
Oder sprecht ihr vom modernen bürgerlichen Privateigentum? Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit
des Proletariers ihm Eigentum? Keineswegs.
Sie schafft das Kapital, d.h. das Eigenturn, welches die
Lohnarbeit ausbeutet, weiches
sich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubeuten.
Das Eigentum in seiner heutigen Gestalt bewegt sich
in dem Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit. Betrachten wir die beiden Seiten dieses Gegensatzes.
Kapitalist sein, heißt nicht nur eine rein persönliche,
sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einnehmen. Das Kapital ist ein gemeinschaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter
Instanz nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller
Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt
werden.
Das Kapital ist also keine persönliche, es ist eine
gesellschaftliche Macht. Wenn also das Kapital in
gemeinschaftliches, allen Mitgliedern der Gesellschaft angehöriges Eigentum verwandelt wird, so
verwandelt sich nicht persönliches Eigentum in
gesellschaftliches. Nur der gesellschaftliche Charakter des Eigentums verwandelt sich.
Er verliert seinen Klassencharakter.
Kommen wir zur Lohnarbeit. Der Durchschnittspreis
der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeitslohnes,
d.h. die Summe der Lebensmittel, die notwendig
sind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten. Was also der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin, um sein
nacktes Leben wieder zu erzeugen. Wir wollen diese
persönliche Aneignung der Arbeitsprodukte zur
Wiedererzeugung des unmittelbaren Lebens keineswegs abschaffen, eine Aneignung, die keinen Reinertrag übrigläßt, der Macht über fremde Arbeit
geben könnte. Wir wollen nur den elenden Charakter dieser Aneignung aufheben, worin der Arbeiter
nur lebt, um das Kapital zu vermehren, nur so weit
lebt, wie es das Interesse der herrschenden Klasse
erheischt.
In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige
Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist
die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern. In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht also die Vergangenheit über die
Gegenwart, in der kommunistischen die Gegenwart
über die Vergangenheit. In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbständig und persönlich,
während das tätige Individuum unselbständig und
unpersönlich ist.
Und die Aufhebung dieses Verhältnisses nennt die
Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um
die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit,
-Selbständigkeit und Freiheit.
Unter Freiheit versteht man innerhalb der jetzigen
bürgerlichen Produktionsverhältnisse den freien
Handel, den freien Kauf und Verkauf. Fällt aber der
Schacher, so fällt auch der freie Schacher. Die Redensarten vom freien Schacher, wie alle übrigen
Freiheitsbravaden unserer Bourgeoisie, haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebundenen
Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des
Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommunistischen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen
Produktionsverhältnisse und der Bourgeoisie selbst.
Ihr entsetzt euch darüber, daß wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden
Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel
ihrer Mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, daß es für neun Zehntel nicht existiert.
Ihr werft uns also vor, daß wir ein Eigentum aufheben
wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige
Bedingung voraussetzt.
Ihr werft uns mit einem Worte vor, daß wir euer
Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen
wir.Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht
mehr in Kapital, Geld, Grundrente, kurz, in eine
monopolisierbare gesellschaftliche Macht verwandelt
werden kann, d.h. von dem Augenblick, wo das persönliche Eigentum nicht mehr in bürgerliches umschlagen kann, von dem Augenblick an erklärt ihr,
die Person sei aufgehoben. Ihr gesteht also, daß ihr
unter der Person niemanden anders versteht als
den Bourgeois, den bürgerlichen Eigentümer. Und
diese Person soll allerdings aufgehoben werden.
Der Kommunismus nimmt keinem die Macht, sich
gesellschaftliche Produkte anzueignen, er nimmt nur
die Macht, sich durch diese Aneignung fremde Arbeit zu unterjochen. Man hat eingewendet, mit der
Aufhebung des Privateigentums werde alle Tätigkeit
aufhören und eine allgemeine Faulheit einreißen.
Hiernach müßte die bürgerliche Gesellschaft längst
an der Trägheit zugrunde gegangen sein; denn die
in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht. Das ganze Bedenken läuft auf
die Tautologie hinaus, daß es keine Lohnarbeit mehr
gibt, sobald es kein Kapital mehr gibt.
Alle Einwürfe, die gegen die kommunistische Aneignungs- und Produktionsweise der materiellen
Produkte gerichtet werden, sind ebenso auf die
Aneignung und Produktion der geistigen Produkte
ausgedehnt worden. Wie für den Bourgeois das Aufhören des Klasseneigentums das Aufhören der
Produktion selbst ist, so ist für ihn das Aufhören der
Klassenbildung identisch mit dem Aufhören der Bildung überhaupt. Die Bildung, deren Verlust er bedauert, ist für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maschine.
Aber streitet nicht mit uns, indem ihr an euren bürgerlichen Vorstellungen von Freiheit, Bildung, Recht
usw. die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums
meßt. Eure Ideen selbst sind Erzeugnisse der bürgerlichen Produktions- und Eigentumsverhältnisse,
wie euer Recht nur der zum Gesetz erhobene Wille
eurer Klasse ist, ein Wille, dessen Inhalt gegeben ist
in den materiellen Lebensbedingungen eurer Klasse.
Die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen, in dem Lauf der Produktion vorübergehenden
Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze
verwandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen
herrschenden Klassen. Was ihr für das antike Eigentum begreift, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum.
-Aufhebung der Familie!
Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese
schändliche Absicht der Kommunisten. Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie?
Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig
entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie; aber
sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit der Proletarier und der öffentlichen
Prostitution.
Die Familie der Bourgeois fällt natürlich weg mit
dem Wegfallen dieser ihrer Ergänzung, und beide
verschwinden mit dem Verschwinden des Kapitals.
Werft ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen?
Wir gestehen dieses Verbrechen ein.
Aber, sagt ihr, wir heben die trautesten Verhältnisse
auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die gesellschaftliche setzen. Und ist nicht auch
eure Erziehung durch die Gesellschaft bestimmt?
Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb
derer ihr erzieht, durch die direktere oder indirektere Einmischung der Gesellschaft, vermittelst der
Schule usw.? Die Kommunisten erfinden nicht die
Einwirkung der Gesellschaft auf die Erziehung;
sie verändern nur ihren Charakter, sie entreißen
die Erziehung dem Einfluß der herrschenden Klasse.
Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung, über das traute Verhältnis von Eltern und
Kindern werden um so ekelhafter, je mehr infolge
der großen Industrie alle Familienbande für die Proletarier zerrissen und die Kinder in einfache Handelsartikel und Arbeitsinstrumente verwandelt
werden.
Aber ihr Kommunisten wollt die Weibergemeinschaft einführen, schreit uns die ganze Bourgeoisie
im Chor entgegen. Der Bourgeois sieht in seiner
Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört,
daß die Produktionsinstrumente gemeinschaftlich
ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich
nichts anderes denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen
wird. Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt,
die Stellung der Weiber als bloßer Produktionsinstrumente aufzuheben. Übrigens ist nichts lächerlicher als das hochmoralische Entsetzen unsrer
Bourgeois über die angebliche offizielle Weibergemeinschaft der Kommunisten. Die Kommunisten
brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen,
sie hat fast immer existiert.
Unsre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen
die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar
nicht zu sprechen, finden ein Hauptvergnügen darin,
ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen. Die bürgerliche Ehe ist in Wirklichkeit die Gemeinschaft der
Ehefrauen. Man könnte höchstens den Kommunisten
vorwerfen, daß sie an Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft einführen wollten.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktionsverhältnisse auch
die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinschaft,
d.h. die offizielle und nichtoffizielle Prostitution, verschwindet. Den Kommunisten ist ferner vorgeworfen
worden, sie wollten das Vaterland, die Nationalität
abschaffen.
Die Arbeiter haben kein Vaterland.
Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.
Indem das Proletariat zunächst sich die politische
Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß,
ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs
im Sinne der Bourgeoisie. Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden
mehr und mehr schon mit der Entwicklung der
Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch
mehr verschwinden machen.
Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung. In dem Maße, wie die Exploitation des einen
Individuums durch das andere aufgehoben wird,
wird die Exploitation einer Nation durch die andere
aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern
der Nation fällt die feindliche Stellung der
Nationen gegeneinander. Die Anklagen gegen den
Kommunismus, die von religiösen, philosophischen
und ideologischen Gesichtspunkten überhaupt
erhoben werden, verdienen keine ausführlichere
Erörterung.
Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit
den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren
gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein, auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr
Bewußtsein sich ändert? Was beweist die Geschichte
der Ideen anders, als daß die geistige Produktion
sich mit der materiellen umgestaltet?
Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.
Man spricht von Ideen, welche eine ganze Gesellschaft revolutionieren; man spricht damit nur die
Tatsache aus, daß sich innerhalb der alten Gesellschaft die Elemente einer
neuen gebildet haben, daß mit der Auflösung der alten Lebensverhältnisse die Auflösung der alten Ideen gleichen
Schritt hält. Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christlichen Ideen im
18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unterlagen,
rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit
der damals revolutionären Bourgeoisie.
Die Ideen der Gewissens- und Religionsfreiheit
sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz
auf dem Gebiete des Wissens aus. »Aber« wird man
sagen, »religiöse, moralische, philosophische, politische, rechtliche Ideen usw. modifizierten sich
allerdings im Lauf der geschichtlichen Entwicklung.
Die Religion, die Moral, die Philosophie, die Politik,
das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel.
Es gibt zudem ewige Wahrheiten, wie Freiheit, Gerechtigkeit usw., die allen gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam sind.
Der Kommunismus aber schafft die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab, die Moral, statt
sie neu zu gestalten, er widerspricht also allen bisherigen geschichtlichen Entwicklungen.«
Worauf reduziert sich diese Anklage?
Die Geschichte der ganzen bisherigen Gesellschaft
bewegte sich in Klassengegensätzen, die in den verschiedenen Epochen verschieden gestaltet waren.
Welche Form sie aber auch immer angenommen,
die Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft
durch den andern ist eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinsame Tatsache. Kein Wunder
daher, daß das gesellschaftliche Bewußtsein aller
Jahrhunderte, aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit zum Trotz. In gewissen gemeinsamen Formen sich bewegt, in Bewußtseinsformen, die nur
mit dem gänzlichen Verschwinden des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen.
Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen;
kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange
am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen
wird. Doch lasen wir die Einwürfe der Bourgeoisie
gegen den Kommunismus. Wir sahen schon oben,
daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die
Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse,
die Erkämpfung der Demokratie ist.
Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu
benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in
den Händen des Staats, d.h. des als herrschende
Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren
und die Masse der Produktionskräfte möglichst
rasch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächst nur geschehn vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen
Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar er-
scheinen, die aber im Lauf der Bewegung über
sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind.
Diese Maßregeln werden natürlich je nach
den verschiedenen Ländern verschieden sein.
Für die fortgeschrittensten Länder werden jedoch
die folgenden ziemlich allgemein in Anwendung
kommen können:
1. Expropriation des Grundeigentums und
Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.
2. Starke Progressivsteuer.
3. Abschaffung des Erbrecht.
4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen.
5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit
Staatskapital und ausschließlichem Monopol.
6. Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staats.
7. Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und
Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.
8. Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den
Ackerbau.
9. Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche
Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land.
10. Öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder. Beseitigung der Fabrikarbeit
der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen
Produktion usw.
Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in
den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.
Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die
organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung
einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden
Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt…
…so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die
Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die
Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.
An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit
ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine
Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden
die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

III Sozialistische und kommunistische Literatur
1. Der reaktionäre Sozialismus
a) Der feudale Sozialismus
Die französische und englische Aristokratie war
ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen,
Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben. In der französischen Julirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten
Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein.
Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig.
Die französische und englische Aristokratie war
ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen,
Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben. In der französischen Julirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten
Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein.
Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig.
Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem
Feudalen, so der pfäffische Sozialismus mit dem
feudalistischen. Nichts leichter, als dem christlichen
Asketismus einen sozialistischen Anstrich zu geben.
Hat das Christentum nicht auch gegen das Privateigentum, gegen die Ehe, gegen den Staat geeifert?
Hat es nicht die Wohltätigkeit und den Bettel, das
Zölibat und die Fleischesertötung, das Zellenleben
und die Kirche an ihrer Stelle gepredigt? Der christliche Sozialismus ist nur das Weihwasser, womit der
Pfaffe den Ärger des Aristokraten einsegnet.
b) Kleinbürgerlicher Sozialismus
Die feudale Aristokratie ist nicht die einzige Klasse,
welche durch die Bourgeoisie gestürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft verkümmerten und abstarben.
Das mittelalterliche Pfahlbürgertum und der kleine
Bauernstand waren die Vorläufer der modernen
Bourgeoisie. In den weniger industriell und kommerziell entwickelten Ländern vegetiert diese Klasse
noch fort neben der aufkommenden Bourgeoisie.
In den Ländern, wo sich die moderne Zivilisation
entwickelt hat, hat sich eine neue Kleinbürgerschaft
gebildet, die zwischen dem Proletariat und der
Bourgeoisie schwebt und als ergänzender Teil der
bürgerlichen Gesellschaft stets von neuem sich bildet, deren Mitglieder aber beständig durch die Konkurrenz ins Proletariat hinabgeschleudert werden,
ja selbst mit der Entwicklung der großen Industrie
einen Zeitpunkt herannahen sehen, wo sie als selbständiger Teil der modernen Gesellschaft gänzlich
verschwinden und im Handel, in der Manufaktur, in
der Agrikultur durch Arbeitsaufseher und Domestiken ersetzt werden.
In Ländern wie in Frankreich, wo die Bauernklasse
weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht,
war es natürlich, daß Schriftsteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoisie auftraten, an ihre
Kritik des Bourgeoisregimes den kleinbürgerlichen
und kleinbäuerlichen Maßstab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgertums ergriffen. Es bildete sich so der kleinbürgerliche Sozialismus. Sismondi ist das Haupt dieser
Literatur nicht nur für Frankreich, sondern auch für
England. Dieser Sozialismus zergliederte höchst
scharfsinnig die Widersprüche in den modernen
Produktionsverhältnissen. Er enthüllte die gleisnerischen Beschönigungen der Ökonomen. Er wies
unwiderleglich die zerstörenden Wirkungen der
Maschinerie und der Teilung der Arbeit nach, die
Konzentration der Kapitalien und des Grundbesitzes, die Überproduktion, die Krisen, den notwendigen
Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das
Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die schreienden Mißverhältnisse in der Verteilung des Reichtums, den industriellen Vernichtungskrieg der Nationen untereinander, die
Auflösung der alten Sitten, der alten Familienverhältnisse, der alten Nationalitäten.
Seinem positiven Gehalte nach will jedoch dieser
Sozialismus entweder die alten Produktions- und
Verkehrsmittel wiederherstellen und mit ihnen die
alten Eigentumsverhältnisse und die alte Gesellschaft, oder er will die modernen Produktions- und
Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigentumsverhältnisse, die von ihnen gesprengt wurden,
gesprengt werden mußten, gewaltsam wieder einsperren. In beiden Fällen ist er reaktionär und
utopisch zugleich. Zunftwesen in der Manufaktur
und patriarchalische Wirtschaft auf dem Lande, das
sind seine letzten Worte. In ihrer weiteren Entwicklung hat sich diese Richtung in einen feigen Katzenjammer
verlaufen.
c) Der deutsche oder der "wahre" Sozialismus
Die sozialistische und kommunistische Literatur
Frankreichs, die unter dem Druck einer herrschenden Bourgeoisie entstand und der literarische Ausdruck des Kampfes gegen diese Herrschaft ist,
wurde nach Deutschland eingeführt zu einer Zeit,
wo die Bourgeoisie soeben ihren Kampf gegen den
feudalen Absolutismus begann. Deutsche Philosophen, Halbphilosophen und Schöngeister bemächtigten sich gierig dieser Literatur und vergaßen nur,
daß bei der Einwanderung jener Schriften aus
Frankreich die französischen Lebensverhältnisse
nicht gleichzeitig nach Deutschland eingewandert
waren. Den deutschen Verhältnissen gegenüber
verlor die französische Literatur alle unmittelbar
praktische Bedeutung und nahm ein rein literarisiches Aussehen an. Als müßige Spekulation, über
die Verwirklichung des menschlichen Wesens mußte
sie erscheinen. So hatten für die deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts die Forderungen der
ersten französischen Revolution nur den Sinn, Forderungen der "praktischen Vernunft" im allgemeinen zu sein, und die Willensäußerungen der revolutionären französischen Bourgeoisie bedeuteten in
ihren Augen die Gesetze des reinen Willens, des
Willens, wie er sein muß, des wahrhaft menschlichen Willens.
Die ausschließliche Arbeit der deutschen Literaten
bestand darin, die neuen französischen Ideen mit
ihrem alten philosophischen Gewissen in Einklang zu
setzenn oder vielmehr von ihrem philosophischen
Standpunkte aus die französischen Ideen sich anzueignen. Diese Aneignung geschah in derselben
Weise, wodurch man sich überhaupt eine fremde
Sprache aneignet, durch die Übersetzung.
Es ist bekannt, wie die Mönche Manuskripte, worauf
die klassischen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeschmackten katholischen
Heiligengeschichten überschrieben. Die deutschen
Literaten gingen umgekehrt mit der profanen französischen Literatur um. Sie schrieben ihren philosophischen Unsinn hinter das französische Original.
Z.B. hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie "Entäußerung des menschlichen
Wesens", hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie "Aufhebung der Herrschaft des abstrakt Allgemeinen" usw.
Die Unterschiebung dieser philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften
sie "Philosophie der Tat", "wahrer Sozialismus",
"deutsche Wissenschaft des Sozialismus", "philosophische Begründung des Sozialismus" usw.
Die französische sozialistisch-kommunistische Literatur wurde so förmlich entmannt. Und da sie in der
Hand des Deutschen aufhörte, den Kampf einer
Klasse gegen die andre auszudrücken, so war der
Deutsche sich bewußt, die "französische Einseitigkeit" überwunden, statt wahrer Bedürfnisse das
Bedürfnis der Wahrheit und statt der Interessen
des Proletariers die Interessen des menschlichen Wesens, des Menschen überhaupt vertreten zu haben,
des Menschen, der keiner Klasse, der überhaupt
nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunsthimmel
der philosophischen Phantasie angehört.
Dieser deutsche Sozialismus, der seine unbeholfenen Schulübungen so ernst und feierlich nahm
und so marktschreierisch ausposaunte, verlor indes
nach und nach seine pedantische Unschuld.
Der Kampf der deutschen, namentlich der preußischen Bourgeoisie gegen die Feudalen und das
absolute Königtum, mit einem Wort, die liberale
Bewegung wurde ernsthafter. Dem "wahren" Sozialismus war so erwünschte Gelegenheit geboten, der
politischen Bewegung die sozialistischen Forderungen gegenüberzustellen, die überlieferten Anatheme
gegen den Liberalismus, gegen den Repräsentativstaat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche
Freiheit und Gleichheit zu schleudern und der Volksmasse vorzupredigen, wie sie bei dieser bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr alles
zu verlieren habe.
Der deutsche Sozialismus vergaß rechtzeitig, daß
die französische Kritik, deren geistloses Echo er
war, die moderne bürgerliche Gesellschaft mit den
entsprechenden materiellen Lebensbedingungen
und der angemessenen politischen Konstitution vorausgesetzt, lauter Voraussetzungen, um deren Erkämpfung es sich erst in Deutschland handelte.
Er diente den deutschen absoluten Regierungen mit
ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeistern, Krautjunkern und Bürokraten als erwünschte Vogelscheuche gegen die drohend aufstrebende Bourgeoisie.
Er bildete die süßliche Ergänzung zu den bitteren
Peitschenhieben und Flintenkugeln, womit dieselben
Regierungen die deutschen Arbeiteraufstände bearbeiteten Ward der wahre Sozialismus dergestalt
eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die
deutsche Bourgeoisie, so vertrat er auch unmittelbar ein reaktionäres Interesse, das Interesse der
deutschen Pfahlbürgerschaft.
In Deutschland bildet das vom 16. Jahrhundert her
überlieferte und seit der Zeit in verschiedener Form
hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgertum die eigentliche gesellschaftliche Grundlage der
bestehenden Zustände.
Seine Erhaltung ist die Erhaltung der bestehenden
deutschen Zustände. Von der industriellen und
politischen Herrschaft der Bourgeoisie fürchtet es
den sichern Untergang, einerseits infolge der Konzentration des Kapitals, andrerseits durch das Aufkommen eines revolutionären Proletariats.
Der "wahre" Sozialismus schien ihm beide Fliegen
mit einer Klappe zu schlagen. Er verbreitete sich
wie eine Epidemie. Das Gewand, gewirkt aus spekulativem Spinnweb, überstickt mit schöngeistigen
Redeblumen, durchtränkt von liebesschwülem Gemütstau, dies überschwengliche Gewand, worin die
deutschen Sozialisten ihre paar knöchernen "ewigen
Wahrheiten" einhüllten, vermehrte nur den Absatz
ihrer Ware bei diesem Publikum.
Seinerseits erkannte der deutsche Sozialismus immer mehr seinen Beruf, der hochtrabende Vertreter
dieser Pfahlbürgerschaft zu sein. Er proklamierte
die deutsche Nation als die normale Nation und den
deutschen Spießbürger als den Normalmenschen.
Er gab jeder Niedertracht desselben einen verborgenen, höheren, sozialistischen Sinn, worin sie ihr
Gegenteil bedeutete. Er zog die letzte Konsequenz,
indem er direkt gegen die "rohdestruktive" Richtung
des Kommunismus auftrat und seine unparteiische
Erhabenheit über alle Klassenkämpfe verkündete.
Mit sehr wenigen Ausnahmen gehört alles, was in
Deutschland von angeblich sozialistischen und kommunistischen Schriften zirkuliert, in den Bereich dieser schmutzigen, entnervenden
Literatur.
2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus
Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher:
Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffen der Tierquälerei,
Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist
dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden.
Als Beispiel führen wir Proudhons "Philosophie de la
misère" an. Die sozialistischen Bourgeois wollen die
Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft
ohne die notwendig daraus hervorgehenden Kämpfe
und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie
auflösenden Elemente.
Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat. Die
Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht,
natürlich als die beste Welt vor. Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu
einem halben oder ganzen System aus. Wenn er
das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen,
so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen
Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen
Vorstellungen von derselben abstreife.
Eine zweite, weniger systematische, nur mehr
praktische Form d[ies]es Sozialismus suchte der
Arbeiterklasse jede revolutionäre Bewegung zu
verleiden, durch den Nachweis, wie nicht diese oder
jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der
ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne.
Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs
Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist,
sondern administrative Verbesserungen, die auf
dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich
gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und
Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall
der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.
Seinen entsprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeoissozialismus erst da, wo er zur bloßen rednerischen Figur wird.
Freier Handel!
Im Interesse der arbeitenden Klasse,
Schutzzölle!
Im Interesse der arbeitenden Klasse;
Zellengefängnisse!
Im Interesse der arbeitenden Klasse:
das ist das letzte, das einzige ernstgemeinte Wort des Bourgeoissozialismus.
Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois
Bourgeois sind - im Interesse der arbeitenden Klasse.
3. Der kritisch-utopistische Sozialismus und Kommunismus
Wir reden hier nicht von der Literatur, die in allen
großen modernen Revolutionen die Forderungen
des Proletariats aussprach. (Schriften Babeufs etc.).
Die ersten Versuche des Proletariats, in einer Zeit
allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes
Klasseninteresse durchzusetzen, scheiterten notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats selbst wie an dem Mangel der materiellen
Bedingungen seiner Befreiung, die eben erst das
Produkt der bürgerlichen Epoche sind.
Die revolutionäre Literatur, welche diese ersten
Bewegungen des Proletariats begleitete, ist dem
Inhalt nach notwendig reaktionär. Sie lehrt einen
allgemeinen Asketismus und eine rohe Gleichmacherei. Die eigentlich sozialistischen und kommurnistischen Systeme, die Systeme St. Simons,
Fouriers, Owens usw., tauchen auf in der ersten,
unentwickelten Periode des Kampfs zwischen Proletariat und Bourgeoisie, die wir oben dargestellt
haben. (S[iehe] Bourgeoisie und Proletariat.)
Die Erfinder dieser Systeme sehen zwar den Gegensatz der Klassen wie die Wirksamkeit der auflösenden Elemente in der herrschenden Gesellschaft
selbst. Aber sie erblicken auf der Seite des Proletariats keine geschichtliche Selbsttätigkeit, keine
ihm eigentümliche politische Bewegung.
Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Industrie,
finden sie ebensowenig die materiellen Bedingungen
zur Befreiung des Proletariats vor und suchen nach
einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen. An die
Stelle der gesellschaftlichen Tätigkeit muß ihre
persönlich erfinderische Tätigkeit treten, an die
Stelle der geschichtlichen Bedingungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmählich vor
sich gehenden Organisation des Proletariats zur
Klasse eine eigens ausgeheckte Organisation der
Gesellschaft. Die kommende Weltgeschichte löst
sich für sie auf in die Propaganda und die praktische
Ausführung ihrer Gesellschaftspläne.
Sie sind sich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptsächlich das Interesse der arbeitenden Klasse als
der leidendsten Klasse zu vertreten. Nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existiert
das Proletariat für sie. Die unentwickelte Form des
Klassenkampfes wie ihre eigene Lebenslage bringen
es aber mit sich, daß sie weit über jenen Klassengegensatz erhaben zu sein glauben.
Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschaftsglieder,
auch der bestgestellten, verbessern. Sie appellieren
daher fortwährend an die ganze Gesellschaft ohne
Unterschied, ja vorzugsweise an die herrschende
Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen, um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft anzuerkennen.
Sie verwerfen daher alle politische, namentlich alle revolutionäre Aktion, sie wollen
ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und versuchen, durch kleine, natürlich fehlschlagende
Experimente, durch die Macht des Beispiels dem neuen gesellschaftlichen Evangelium
Bahn zu brechen.
Die phantastische Schilderung der zukünftigen Gesellschaft entspringt in einer Zeit, wo
das Proletariat noch höchst unentwickelt ist, also selbst noch phantastisch seine eigene
Stellung auffaßt, seinem ersten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen
Umgestaltung der Gesellschaft.
Die sozial[istisch]en und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen
Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der bestehenden Gesellschaft an. Sie haben daher
höchst wertvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert. Ihre positiven Sätze
über die zukünftige Gesellschaft, z.B. Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und
Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündigung der gesellschaftlichen
Harmonie, die Verwandlung des Staates in eine bloße Verwaltung der Produktion
- alle diese ihre Sätze drücken bloß das Wegfallen des Klassengegensatzes aus, der eben erst sich zu entwickeln beginnt, den sie nur noch in seiner ersten gestaltlosen
Unbestimmtheit kennen. Diese Sätze selbst haben daher noch einen rein utopistischen
Sinn.
Die Bedeutung des kritisch-utopistischen Sozialismus und Kommunismus steht im
umgekehrten Verhältnis zur geschichtlichen Entwicklung. In demselben Maße, worin der Klassenkampf sich entwickelt und gestaltet, verliert diese phantastische Erhebung über
denselben, diese phantastische Bekämpfung desselben allen praktischen Wert, alle
theoretische Berechtigung. Waren daher die Urheber dieser Systeme auch in vieler
Beziehung revolutionär, so bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten. Sie halten
die alten Anschauungen der Meister fest gegenüber der geschichtlichen Fortentwicklung
des Proletariats. Sie suchen daher konsequent den Klassenkampf wieder abzustumpfen
und die Gegensätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die versuchsweise Verwirklichung
ihrer gesellschaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanstere, Gründung von
Home-Kolonien, Errichtung eines kleinen Ikariens11 - Duodezausgabe des neuen Jerusalems
-, und zum Aufbau aller dieser spanischen Schlösser müssen sie an die Philanthropie
der bürgerlichen Herzen und Geldsäcke appellieren.
Allmählich fallen sie in die
Kategorie der oben geschilderten reaktionären oder konservativen Sozialisten und unterscheiden
sich nur noch von ihnen durch mehr systematische Pedanterie, durch den
fanatischen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer sozialen Wissenschaft.
Sie treten daher mit Erbitterung aller politischen Bewegung der Arbeiter entgegen, dir
nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervor, gehen konnte.
Die Owenisten in England, die Fourieristen in Frankreich reagieren dort gegen die
Chartisten, hier gegen die Reformisten.
